Ich habe mir lange und ausgiebig überlegt, ob ich diesen Blogbeitrag schreiben soll. Denn einerseits wühlt mich das Thema auf und passt so gar nicht in unsere Reise- und Urlaubsgefühlen. Andererseits fände ich es auch schändlich und feige, die Umstände rund um Bremer 1954 zu ignorieren und so zu tun, als wäre es eine alltägliche Feriensiedlung. Aber lasst mich am Anfang beginnen…

Nach den Tagen in Granada – und der verpassten Gelegenheit, die weltberühmte maurische Festung Alhambra zu besuchen (Leute, bucht unbedingt einige Tage vorher Eure Onlinetickets!!!) – haben wir bemerkt, dass wir langsam Städte- und Kulturmüde werden. Nach über vier Wochen intensiven Reisens und dem Besuch vieler Städte und Sehenswürdigkeiten, wollten wir uns vor der Heimreise nochmals richtig ausspannen, Fahrrad fahren und das Nichtstun geniessen. Darum steuerten wir den Campingplatz «Camping Los Pinos» in Dénia an. Direkt am Meer gelegen versprach er die gewünschte Erholung.

Unser Unicorn zwischen Pinien auf dem Camping Los Pinos.

Wir fanden auch sofort liebe neue Freunde (Sabine & Tom – alles Gute in Eurem Leben auf Rädern. Vielleicht sieht man sich wieder einmal in Europa🤗) und fühlen uns hier so wohl, dass wir spontan unseren Aufenthalt noch um einige Tage verlängerten. Dies bedingte ein Umzug innerhalb des Platzes und wir stehen nun noch näher zum Meer.

Die Herrin des Unicorn geniesst die Sonne.

Die Zeit verbringen wir mit Strandspaziergängen, Radwanderungen und feinem Essen.

Wandern im Parc Natural del Montgó.
Niemand kommt hier auf die Idee, dass erst Anfang März ist.

Die Gegend rund um Dénia ist ohne Zweifel ein besonders hübsches Plätzchen an dieser spanischen Küste. Und das führte auch dazu, dass sich während der faschistischen Diktatur von Francisco Franco einige dunkle Gestalten hier niederliessen.

Gleich hinter diesem Kinderspielplatz beginnt das Areal «Bremer 1954».
Ein imposantes Tor führt auf das Luxusresort namens Bremers Park Bungalows.

Es ist allgemein bekannt, dass Dénia mehrere der Kriminellen willkommen geheissen hat, die nach dem Sturz der NS-Diktatur geflohen waren, um einer strafrechtlichen Verfolgung zu entgehen. Auf dem Friedhof von Dénia findet man drei Gräber von Hitlers Ex-Offizieren und in den umliegenden Dörfen bietet sich ein ähnliches Bild.

Einer dieser Verbrecher war der ehemalige Waffen-SS-Offizier Gerhard Bremer. Er war der Anführer der Nazi-Division, die 1941 in Mariúpol einmarschierte, der Stadt, die inzwischen von Wladimir Putin belagert wird. Die Geschichte wiederholt sich und diese Hafenstadt erlebt das Grauen erneut hautnah, 82 Jahre nachdem sie einer weiteren Invasion ausgesetzt war, damals im Zweiten Weltkrieg.

1941 war Nazi-Deutschland auf dem Machthöhepunkt in ganz Europa und hatte mit der Besetzung von Gebieten der Sowjetunion begonnen. Eine der von der deutschen Armee besetzten Städte war genau Mariúpol. Im Rahmen der Operation Barbarossa griff SS-Offizier Gerhard Bremer mit seiner Division die Hafenstadt an. Er nutzte dabei die Situation aus, dass die Truppen der UdSSR im Bereich der Küste des Asowschen Meeres desorganisiert waren, um die Kontrolle über die Stadt zu erlangen. Der Erfolg des Einmarsches führte dazu, dass Gerhard Bremer von Adolf Hitler das Ritterkreuz verliehen wurde.

Gerhard Bremer, ein ehemaliges Mitglied der SS, lebte mehr als 30 Jahre lang in Denia.

Als Nazideutschland 1945 besiegt wurde, wurde der Mann, der stolz darauf war, die Tragödie in Mariupol angeführt zu haben, bei den Nürnberger Prozessen wegen seiner Verbrechen angeklagt. Seine Aktionen als SS-Offizier während des Konflikts bei Feldzügen in der Sowjetunion, Polen, auf dem Balkan oder in Frankreich führten zu mehrjährigen Haftstrafen. Als Offizier der zweiten Ebene verbrachte er jedoch nur sechs Jahre in Haft und wurde 1954 entlassen.

Bremers verschwenderische Nazi-Partys

Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis wanderte Bremer 1954 mit seiner Frau nach Denia aus, wo er mit einer neuen Vision des Tourismus ankam. «Er war der erste, der in der Gegend von Les Rotes in Dénia Bungalows baute, die unter dem Namen Bremer Park bekannt sind.

Auch heute noch – nach dem Verkauf – prangt der auffällige Schriftzug am Tor.

Damit machte er sein Vermögen, indem er die Häuser an Deutsche vermietete, vor allem an Freunde aus der NS-Zeit, die nach Denia kamen, um den Strand zu geniessen», erklärte Rosa Seser, Leiterin des Gemeindearchivs von Denia, in dem Unterlagen aufbewahrt werden, die die Anwesenheit von Nazis in der Gemeinde bereits vor dem Bürgerkrieg belegen, einer Lokalzeitung.

Im Gegensatz zu den meisten Nazis, die zu dieser Zeit nach Denia kamen und ein diskretes, fast verstecktes Leben führten, wurde Bremer schnell ein bekannter Mann.

Die Stadtkapelle von Dénia spielt auf einer der Bremer Fiestas (Quelle: Archiv der Stadtkapelle von Dénia).

Die Feste, die er jeden 25. Juli, zu seinen Geburtstagen veranstaltete, sind in die Geschichte eingegangen. Ein direkter Zeuge dieser Feierlichkeiten war Vicent Grimalt, der heutige Bürgermeister von Dénia, der als Kind als Mitglied der Musikkapelle von Dénia an den Geburtstagsfeiern von Bremer teilnahm. «An diesem Tag holten Bremers Freunde alle Mitglieder der Musikkapelle mit Mercedes auf dem Stadtplatz ab. Das allein war schon ein Fest für uns, denn stellen Sie sich vor, wie viele Autos es damals gab», sagt Grimalt.

Ein Bild ist ihm in Erinnerung geblieben, das er erst später verstand: der Moment, als sich die grossen Tore der Siedlung öffneten und Bremer in seiner SS-Offiziersuniform erschien, begleitet von seiner Frau in bayerischer Tracht und zwei grossen Hunden, während die Musikkapelle spielte.

«In diesem Moment überreichten seine Freunde, die lokalen Behörden und die Mitarbeitenden, die ebenfalls an der Feier teilnahmen, ihnen Geschenke und dann zogen wir in einer Parade in die Ferienhaussiedlung ein», erinnert sich der heutige Bürgermeister von Dénia, der erklärt, dass es für sie, meist Kinder und Jugendliche, einfach ein Ereignis war, auf das sie sich jedes Jahr freuten, denn «sie liessen uns im Schwimmbad des Komplexes schwimmen, als es damals noch keine Schwimmbäder gab.»

Der Bremer-Komplex in den 50er-Jahren.

Es war ein stundenlanges Fest, bei dem der Gastgeber seinen Gästen zu den Klängen der Stadtkapelle ein reichhaltiges Essen anbot. «Wir spielten hauptsächlich spanische Pasodobles und endeten mit Stücken von Wagner, einem Komponisten, der leider mit den Nazis in Verbindung gebracht wird, wie dem Pilgerchor, einem wirklich wunderbaren Stück», erklärt Grimalt.

Überraschenderweise dauerten diese üppigen Feierlichkeiten von 1971 bis 1980, als sie mitten in der Wendezeit des Landes in die Demokratie ein Ende fanden, unter anderem weil der neue Direktor der Stadtkapelle sich weigerte, an diesen Festen teilzunehmen.

Das Schwimmbad im Bremer Park auf einer Postkarte.

Die Archivarin Rosa Seser meint dazu: «All dies muss im Kontext der damaligen Zeit gesehen werden, in der ein grosser Mangel an Wissen über die Geschehnisse des Zweiten Weltkriegs herrschte. Ausserdem brachte dieser Mann Arbeit und Wohlstand in eine Bevölkerung, die damals vom Fischfang lebte, es gab kaum Tourismus und er behandelte seine Arbeiter sehr gut».

Die Feierlichkeiten endeten zwar, aber Gerhard Bremer lebte bis zu seinem Tod im Jahr 1989 weiter in Denia. Sein Leichnam und der seiner Frau sind gemeinsam auf dem örtlichen Friedhof begraben, und einer seiner Söhne lebt heute noch in der Hauptstadt der Region Marina Alta. Übrigens weigerte sich die Stadtkapelle, an Bremers Beerdigung auf dem städtischen Friedhof teilzunehmen.

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