Unser Wohnmobil-Jahr beschlossen wir mit einem verlängerten Wochenende in Rothenburg ob der Tauber. Rothenburg liegt im romantischen Franken, am Rande des Taubertals. Es hat eine gut erhaltene Altstadt aus dem Mittelalter und gilt als eine der romantischsten Städte Deutschlands. Empfohlen wurde uns dieses Ziel von einem Camper-Ehepaar, welches wir in Kroatien kennengelernt haben. Es sei eine der zehn schönsten Städte Deutschlands und darum auf jeden Fall eine Reise wert.

Das Hotel Reichsküchenmeister – 1540 wohnte der spätere Kaiser Ferdinand I. und 1546 Kaiser Karl V. in unserem Haus.

Und tatsächlich – obwohl wir zuerst nur eine Nacht in Rothenburg bleiben wollten um danach nach Nürnberg weiterzufahren, waren wir von dieser kleinen Stadt so entzückt, dass wir gleich drei Tage «im Mittelalter» verbrachten. Dazu haben wir den offiziellen Wohnmobilstellplatz der Stadt benutzt (Ausschilderung P2), welcher optimal gelegen und mit Sanitäranlagen, Strom und Ver-/Entsorgung ausgestattet ist.

Das Burgtor mit dem Burgturm gehören meiner Meinung nach zu den schönsten Abschnitten der Stadtmauer.
Das Burgtor mit dem Burgturm gehören meiner Meinung nach zu den schönsten Abschnitten der Stadtmauer.

Wenn möglich buchen wir beim Erkunden einer neuen Stadt immer eine Stadtführung. Manchmal mit dem Rad oder dann zu Fuss. In Rothenburg haben wir die täglich stattfindende Stadtführungen des Tourismusvereins besucht und waren begeistert. Die ortsansässige Führerin zog die Gruppe von rund 20 Teilnehmer:innen mit Hintergrundinformationen zur Stadt und zum Leben im Mittelalter in ihren Bann. Und immer mal wieder streute sie Schmankerl aus dem Leben ihrer Grossmutter in Rothenburg ein – sehr zur Unterhaltung der anwesenden Gäste. Hier Beispiele aus dem reichen Wissensschatz nach der Führung.

Der Meistertrunk

Der katholische Generalissimus Tilly hatte im dreissigjährigen Krieg (1618 bis 1648), nachdem der Widerstand gebrochen und die Stadt erstürmt worden war, die Ratsherren der protestantischen Reichsstadt Rothenburg zum Tode verurteilt und wollte die Stadt brandschatzen und plündern lassen. In ihrer Not boten ihm die Ratsherren als Willkommenstrunk Wein in einem prachtvollen bunten Glashumpen dar, der 3 ¼ Liter fasste. Tilly wurde dadurch milde gestimmt und sagte, wenn jemand diesen Humpen voll Wein in einem Zuge austrinken könne, würde er die Stadt verschonen.

Immer zur vollen Stunde erscheinen am Ratshaus die beiden Protagonisten: links General Tilly und rechts Georg Nusch mit dem Humpen in der Hand.

Altbürgermeister Georg Nusch meldete sich freiwillig und zu jedermanns Erstaunen gelang es ihm, den Becher in einem Zug zu leeren. Tilly war davon so beeindruckt, dass er die Stadt verschonte. Diese historisch unbelegte Geschichte wird seit 1881 jährlich am Pfingstwochenende von Laiendarstellern in Rothenburg aufgeführt und hat die Entwicklung Rothenburgs als Fremdenverkehrsort massgeblich mitbefördert.

Fremdenverkehrsplakat Rothenburgs mit Bewerbung des «Meistertrunks» München, ca. 1900.(Staatsbibliothek Bamberg)

Wie viele Touristen bisher dem berühmten Bürgermeister nacheiferten und ebenfalls dem fränkischen Wein verfallen sind, ist dem Schreibenden nicht bekannt. 11 000 Einwohner leben in der Kleinstadt, davon 2500 in der Altstadt, die jedes Jahr Ziel von 340 000 Urlaubern ist, die über Nacht bleiben. Die etwa 1,7 Millionen Tagesgäste, die auf eigene Faust oder mit Bussen anreisen, sind da noch nicht mitgezählt. Es dürften also einige Humpen Wein durch durstige Kehlen rinnen…

In diesen steinernen Aquarien wurden während der Marktzeit die Karpfen «aufbewahrt».

Zum Wein gehört dann aber auch eine anständige Mahlzeit. Und da zählt der Karpfen neben Bratwurst und Schäufele zu den fränkischen Nationalgerichten. Auf den Tisch kommt er nur in den Monaten mit einem «R» im Namen, also von September bis April.

Und überall in der Stadt findet man steinerne und hübsch verzierte «Aquarien», in welchen die Karpfen nach dem Fang gehalten und gewässert wurden. Und wenn wir schon beim Essen sind, hier noch eine weitere Perle aus der Stadtführung.

Die Erfindung des Toast Hawaii

Der Toast Hawaii oder Hawaii-Toast ist ein mit Schinken, Ananas, Käse und eingelegter Kirsche belegter, überbackener Toast, der in Westdeutschland in den 1950er Jahren populär wurde.

Toast Hawaii (Quelle Wikipedia, Rainer Zenz)

Aber wussten Sie, dass der Erfinder ein Sohn Rothenburgs ist. Es handelt sich dabei um niemanden geringeren als dem berühmten Fernsehkoch und Buchautor Hans Karl Adam.

Hans Karl Adam beim moderieren der Sendung Der Fernsehkoch beim Bayerischen Rundfunk.

Adam besass in der Altstadt von Rothenburg o. d. T. ein kleines Hotel und ein Speiselokal. Und das war auch der Geburtsort des legendären Toast Hawaii.

Seit seinem Tod im April 2000 ist das ehemalige 1958 eröffnete «Kleine Hotel» von Adam (rosa Haus) ein Wohnhaus in der Altstadt.

Bis in die 1970er Jahre gehörte der Toast Hawaii zum wöchentlichen Speiseplan vieler Familien und wurde in den 1980er Jahren beliebtes Gericht in Kneipen, für Partykeller und Kegelbahnen.

Ein Medienwissenschaftler wies einst darauf hin, dass die Exotik auch als Kompensation verstanden werden konnte für den weiterhin spürbaren Mangel in der Nachkriegsküche sowie für die weiterhin unerschwinglichen Urlaubsreisen in ferne Länder. So oder so – Adams Erfindung lebt heute weiter in Speisen wie «Pizza Hawaii», «Döner Hawaii» und anderen Absonderlichkeiten.

Weitere Höhepunkte in der Entdeckung von Rothenburg ob der Tauber sind sicher auch die Schneeballen, einer köstlich süssen Spezialität der Stadt. Oder ein Besuch des Käthe Wohlfahrt-Christkinkmarktes mit dem deutschen Weihnachtsmuseum. Weihnachten ist sowieso omnipräsent in Rothenburg – der Weihnachtsmarkt vom 25.11. bis 23.12.2022 gehört zu einem der beliebtesten in Deutschland.

Dann dürfte es allerdings eng werden in der Stadt und der Spaziergang über die weitreichenden aber engen Wehranlagen zum Spiessrutenlaufen.

Über die Wehranlagen bekommt man einen wunderbaren Blick in die Altstadt hinein.
Über die Wehranlagen bekommt man einen wunderbaren Blick in die Altstadt hinein.

So oder so – die Stadt ist als Reiseziel ein Genuss. Und wer hinter die Kulissen schauen möchte, dem seien die bereits erwähnten Stadtführungen empfohlen.

Wir machen nun mit unserer Reisetätigkeit eine Pause bis nach Weihnachten und starten dann im Januar wieder mit unserem Unicorn. Vielen Dank, dass ihr unsere Berichte mitlest und uns virtuell begleitet. Wir wünschen Euch schon heute schöne Festtage und ein gutes Neues Jahr. Bleibt gesund und hoffentlich treffen wir einige von Euch wieder auf den Stellplätzen Europas.

Bea & Andi